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Digitale Identität: Deutsche haben wenig Ahnung von Begriffen

Ein Artikel von red | 19.01.2023 - 14:01
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© PublicDomainPictures @Pixabay

Der Plattformanbieter für Identitätsprüfung IDnow hat den "Digital Identity Index 2023" vorgestellt. Die Studie auf Basis einer repräsentativen YouGov-Umfrage gibt Einblicke in die Akzeptanz von digitalen (Identifizierungs-)Verfahren in Deutschland. Sie zeigt, dass die Bundesbürger wenig Ahnung von entsprechenden Begriffen, dafür aber oft Bedenken bezüglich identitätsdiebstahl oder Hackerangriffen haben. Dabei wäre mehr digital sehr willkommen - denn persönliche Termine sind oft lästig.

So zeigt die Umfrage, dass sich die allermeisten Deutschen bei analogen Vorgängen und Anträgen an den damit verbundenen langen Wartezeiten bei der Bearbeitung (59%) stoßen. Weitere Ärgernisse im Umgang mit Behörden, Banken und anderen Institutionen sind unflexible Termine und beschränkte Öffnungszeiten (58%) sowie Anfahrtswege (40%). Gut ein Viertel nervt das Drucken von Dokumenten, ein Fünftel der Papierverbrauch. Dennoch hinkt die Adaption digitaler Methoden hinterher und das, obwohl der Wunsch nach mehr digitalen Diensten in der Bevölkerung vorhanden ist.

Wunsch und Realität bei digitalen Diensten

Beispielsweise würden zwei Drittel der Deutschen gerne mehr digitale Behördengänge nutzen doch nur neun Prozent tun das bisher. Die Hälfte der Bevölkerung (würde gerne auch die Gesundheitsakte digital einsehen bzw. die Krankschreibung digital einreichen. Beides ist möglich, aktuell machen aber nur 16% der Bevölkerung davon auch Gebrauch. 

Was Vertragsabschlüsse betrifft, stehen Banken und Versicherungen relativ gut da. Denn jeweils über 60% der Befragten nutzen bereits digitale Möglichkeiten bzw. würden dies gerne. Das bedeutet einen großen Vorsprung gegenüber Miet- und Arbeitsverträgen, die bisher nur 6% digital abschließen und zwei von fünf Deutschen gar nicht digital abschließen wollen. Dementsprechend wenig verbreitet ist die qualifizierte elektronische Unterschrift (QES), die hierfür zum Einsatz käme.

Die Beliebtheit verschiedener Ident-Verfahren

Während die QES daher nur von 6% der Befragten schon genutzt wurde und somit ein Nischendasein fristet, haben viele Deutsche bereits mehrmals andere digitale bzw. Fernidentifizierungsverfahren durchlaufen. Am weitesten verbreitet sind die Vor-Ort-Identifizierung in einer Postfiliale (40%), das VideoIdent-Verfahren in einem Videochat mit einer Person (38%) sowie vollautomatisierte Ident-Verfahren mit Foto/Selfie (14%). Die eID-Funktion des deutschen Personalausweises hingegen wird auch über zehn Jahre nach deren Einführung kaum genutzt: Nur 8% haben sie schon mal eingesetzt. Die privaten Lösungen werden gegenüber der staatlichen eID von den Nutzern also klar bevorzugt. Identity Wallets, wie sie aktuell unter anderem auf EU-Ebene diskutiert werden, kommen bisher erst bei einem Prozent der Bevölkerung zum Einsatz.

Fehlendes Verständnis für ID-Begrifflichkeiten

Ein Hindernis für den breiteren Einsatz diverser Verfahren ist wohl auch mangelndes Verständnis. Denn 52% der deutschen haben laut Umfrage keine nähere Vorstellung was sich hinter „digitaler Identität“, „qualifizierter elektronischer Signatur“ oder „eID“ verbirgt. Die Schlusslichter in Sachen Verständnis der Begrifflichkeiten bilden die „EuID“ (4%) und „eIDAS 2.0“ (2%).  

„Wenn wir bedenken, dass die eIDAS 2.0-Verordnung weitreichende Auswirkungen auf die fortschreitende Digitalisierung in unserem Alltag haben wird, ist es überraschend, dass die Diskussionen der EU bisher nicht von den Endnutzern wahrgenommen werden. Sowohl Staat als auch Privatwirtschaft müssen hier noch viel Aufklärungsarbeit leisten, damit es der EuID langfristig nicht wie der deutschen eID ergeht und sie im Bewusstsein der Nutzer verschwindet,“ sagt Dr. Heinrich Grave, Senior Vice President Digital Identity bei IDnow.  

Verbreitete Sicherheitsbedenken

Gegen die geplanten Identity Wallets – ein Kernstück der eIDAS 2.0-Verordnung – spricht aus Sicht der deutschen Bevölkerung vor allem die fehlende Sicherheit der Daten vor Identitätsmissbrauch oder Fälschungen (44%), gezielte Hackerangriffe (43%) und der Verlust bzw. Defekt des Smartphones (41%). Rund jeder Dritte ist auch durch die Überwachung von Unternehmen (31%) oder vom Staat (27%) beunruhigt. Diese Bedenken schlagen sich in den Auswahlkriterien für eine Identity Wallet nieder: Den Deutschen ist Sicherheit (55%) und Datenschutz (46%) am wichtigsten. Für 36% ist die Nutzerfreundlichkeit ein zentrales Auswahlkriterium.

Vertrauen in deutsche Anbieter

Für beide Kriterien, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit der Identity Wallet, spielt der Sitz des Unternehmens eine große Rolle. Die deutsche Bevölkerung ist skeptisch gegenüber Unternehmen außerhalb der EU. Nur 4% trauen ihnen eine gleichzeitig sichere Verarbeitung ihrer Daten sowie eine nutzerfreundliche Erfahrung zu. Dagegen trauen immerhin 28% Unternehmen mit Sitz in Deutschland die Balance aus Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit zu. Weitere 26% glauben, dass staatliche Institutionen oder Stellen aus Deutschland diese Kriterien in einer Identity Wallet erfüllen könnten. 

„Unser Digital Identity Index 2023 zeigt, dass es für die Nutzung von digitalen Diensten in Deutschland immer noch Luft nach oben gibt, insbesondere im Vergleich zum Rest der EU. Nutzer entscheiden sich aufgrund von Bedenken, oder aufgrund von Unwissenheit, noch häufig für analoge Prozesse, wo digitale Verfahren schon längst zur Verfügung ständen. In Hinblick auf die anstehenden Veränderungen, die Identity Wallets in der gesamten EU bringen werden, ist es deshalb so ungemein wichtig, Sicherheit mit Nutzerfreundlichkeit zu vereinbaren. Nur so können Politik und Wirtschaft ein zukunftsfähiges System für digitale Identitäten schaffen und deutsche Bürgerinnen und Bürger von ihren Vorteilen überzeugen“, meint Heinrich Grave.

Über die Studie: Diese basiert auf Online-Interviews mit 2.040 Mitgliedern des YouGov Panel Deutschland im Zeitraum vom 6. bis 8. Dezember 2022. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die Bevölkerung ab 18 Jahren in Deutschland. Der vollständige "Digital Identity Index 2023 Deutschland" ist hier als PDF verfügbar.