Der Weg aus dem digitalen Dornröschenschlaf

Ein Artikel von Daniel Kums, Head of Business Consulting, Experian DACH | 14.11.2022 - 07:50

Das Schadenmanagement gewinnt in Zeiten von Kostendruck und gestiegener Kundenanforderungen zunehmend an Bedeutung und macht die Digitalisierung der Schaden-Prozesse zu einem der zentralen Werttreiber der Branche. Jahrelang haben Versicherungen konsequent an der Kostenschraube gedreht, um Einsparungen zu erzielen. Dabei haben sie gerne übersehen, dass der Hebel bei der Reduzierung von Schadenaufwänden deutlich größer ist. Ein optimiertes Schadenmanagement reduziert die durchschnittliche Schadenhöhe durch die Art der Regulierung und durch die möglichst schnelle und effiziente Abwicklung der Schäden. Die Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis sind immens. Rund 80 Prozent der Kosten im Bereich Kraftfahrt und über 60 Prozent der Kosten im Bereich Wohngebäude und Hausrat sind Schadenkosten. In der Kraftfahrtversicherung bewirkt die Reduzierung der Verwaltungskosten um fünf Prozent eine Reduzierung der Schaden-Kosten-Quote um 0,9 Prozentpunkte. Die Reduzierung des Schadenaufwands durch optimiertes Schadenmanagement um fünf Prozent reduziert die Schaden-Kosten-Quote um etwa 4,1 Prozentpunkte.

Wie kann das Potenzial gehoben werden?

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© RiverOfHopeHK @Pixabay

Studien zufolge schlummert allein im deutschen Versicherungsmarkt ein Einsparpotenzial durch effiziente Schadenmanagement-Prozesse von über einer Milliarde Euro im Jahr. Um diese Potenziale zu realisieren, müssen Versicherungen unter anderem der gesteigerten Erwartungshaltung ihrer Kunden gerecht werden. In Zeiten einer zunehmend digitalen Gesellschaft setzen diese kurzen Reaktionszeiten und transparente Prozesse im Schadenfall voraus. Möglichkeiten, die Erwartungen der Kunden durch Digitalisierung zu erfüllen, gibt es viele. Sie alle eint, dass sie sinnvolle End-to-End-Prozesse benötigen.

Dabei sind unter anderem die Verschlankung von Schadenprozessen, eine intelligente Prozesssteuerung sowie nutzerfreundliche Customer-Self-Service-Angebote wichtige Potenzialfelder. Ein digitaler End-to-End-Pro­zess setzt einen möglichst hohen Grad der Automatisierung voraus. Die Herausforderung in der Umsetzung besteht darin, dass aktuell noch verbreitete Legacy-Systeme in Zeiten der digitalen Transformation zunehmend an ihre Grenzen geraten. Gehostete Systeme hingegen bieten vielfältige Vorteile und erweiterte Möglichkeiten, die Kosten einsparen, Ressourcen schonen und schnelle Anpassungen an sich verändernde Kunden- und Marktsituationen bieten.

Vorteile der gehosteten Architektur

Dass sich Versicherer traditionell an ihre Daten klammern, steht der Bewältigung der Herausforderungen im Wege. Die Unternehmen sitzen auf einem digitalen Schatz, ohne die Möglichkeit, ihn zu nutzen. Eine entscheidende Rolle spielt Standardisierung, um möglichst schnell auf individuelle Anforderungen eingehen zu können. Im ersten Moment erscheint dies widersprüchlich. Letzten Endes bildet eine standardisierte Systemlandschaft aber den Grundpfeiler für Folgeprozesse.

Zudem ermöglichen skalierbare Umgebungen die Erweiterung und Anpassungen der Bestandsprozesse auf sich veränderte Anforderungen. Die notwendigen Expertenregeln und ­Parameter sind dabei bereits in der Lösungsarchitektur hinterlegt und für alle Anwender jederzeit verfügbar. Der daraus resultierende Baukasten ermöglicht es auch Laien, einfach und schnell neue Business-Routinen einzupflegen und somit die Systeme fortlaufend zu optimieren.

Eine zentrale Schnittstelle bildet die Grundlage und enthält alle relevanten Daten für die Betrugsprävention, eine Schnellschaden-Optimierung, eine ­effiziente Prozess-Steuerung oder die Erkennung von Regress-Potenzialen. Weitere Services wie auch vielfältige externe Datenquellen lassen sich mit minimalem Aufwand schnell anbinden. Wetterdatenbanken, Scoring-Verfahren wie Bonitätsauskünfte, das historische Hinweis- und Informations-­ System (HIS) des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) oder die Beauftragung von Sachverständigen sind nur einige der unzähligen Beispiele.

Die Ergebnisse der Services lassen sich nahtlos in den Bewertungs- und Workflowprozess einbinden und erhöhen die Qualität der Ergebnisse signifikant. Die Entscheidung der Next-best-action wird in diesem Szenario automatisiert und standardisiert durchgeführt, um den Schadenprozess sowohl für den Versicherer wie auch für den Endkunden optimal zu gestalten.

Und was ist mit dem Datenschutz?

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Autor Daniel Kums ist Head of Business Consulting bei Experian DACH. © KIM JOSHUA KIBLER

Die vielleicht größte Hürde bei den Überlegungen zum Einsatz einer gehosteten Lösung stellt immer wieder die Frage dar, ob die Bereitstellung der Informationen datenschutzrechtlich vertretbar ist. Diese Frage lässt sich schnell beantworten: Die Verarbeitung der Versicherungsdaten in einer gehosteten Lösung ist datenschutzrechtlich absolut unkritisch, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Kernpunkt sollte dabei sein, dass die Daten nur innerhalb der Landesgrenzen gespeichert und verarbeitet werden. Sofern die beteiligten Anbieter über die erforderlichen Zertifizierungen wie ­TISAX verfügen, sind Hosting-Lösungen auch aus Datenschutzaspekten eine zukunftsfähige Möglichkeit, um den Versicherern den Weg aus dem digitalen Dornröschenschlaf hin zu ­effizienten End-to-End Prozessen zu ebnen.