Der Kundenservice ist inzwischen über die verschiedensten Kanäle erreichbar – was die Barrieren der Kontaktaufnahme deutlich senkt. Ein Abflauen dieses Trends ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Laut einer Untersuchung des Beratungshauses PwC wird der CRM-Service-Markt in Deutschland von rund neun Milliarden Euro Umsatzvolumen 2016 auf etwa zwölf Milliarden Euro bis 2023 wachsen.
Differenzierungsmerkmal Kundenservice – B2C und B2B
Denn: Rolle und Bedeutung der Contact Center haben sich im Laufe der Jahre massiv geändert. Noch vor wenigen Jahren ging es hauptsächlich darum, Teile des Kundenservices auszulagern, um Kosten zu sparen. In Zeiten von „Customer Centricity“ und einer wachsenden Markttransparenz zu Produkten und Leistungen wird ein guter Kundenservice hingegen zu einem zentralen Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb.
Laut der Studie „Kundenservicebarometer 2019“ beeinflusst die Leistung des Kundendienstes 88 Prozent der Verbraucher in ihrer Kaufentscheidung; der Preis folgt erst auf dem zweiten Platz. Kunden erwarten dabei jedoch intelligente und individualisierte, auf ihr spezielles Anliegen zugeschnittene Informationen: über ein Viertel der Befragten bemängeln den Erhalt von unpersönlichen Antworten.
In B2B-Marktsegmenten stellt sich das Ganze etwas komplexer dar: Hier erwartet der Kunde normalerweise eine persönliche Betreuung, da es in der Regel um Themen geht, die deutlich anspruchsvoller sind als Verbraucheranliegen. Ein Outsourcing an Contact Center erfolgt hier deshalb bislang nur bei sehr standardisierten Produkten. Wenn eine moderne Software und intelligente Datenanalysen jedoch sehr gute Insights zu den Kunden liefern, und die Angebote sehr stark auf die Kunden zugeschnitten sind, kann sich das jedoch ändern. Eine Zunahme bei der Auslagerung von Kundenservice-Aufgaben ist bereits erkennbar.
Vertriebsplattform Contact Center – da geht noch mehr!
Interne und externe Teams, In- und Outbound, Vertrieb, Marketing und Service: Anforderungen und Tätigkeitsspektrum der Contact Center haben sich in den vergangenen Jahren massiv gewandelt. Konzentrierten sich klassische Call Center früher hauptsächlich auf das Kundenbeziehungs-, Beschwerde- und Stammdaten-Management, sind sie heute dank innovativer Technologien und einem modernen Datenmanagement in der Lage, den Vertrieb in vielfacher Weise zu unterstützen und positive Kundenerlebnisse zu generieren.
Denn Contact Center haben als Vertriebsplattform einen unschätzbaren Vorteil: Den Kundenkontakt, den Vertrieb und Marketing über ausgeklügelte Strategien noch etablieren müssen, haben sie bereits. Reklamationen, Rückfragen, aber beispielsweise auch Terminvereinbarungen können als Anlass dienen für Up- und Cross-Selling: Warum eine Kundenanfrage nach einer Paketbelieferung nicht mit einem Angebot kontern, doch vielleicht direkt ein Kundenkonto zu eröffnen und von zusätzlichen Leistungen zu profitieren?
Wenn ein Abschluss noch nicht am Telefon gelingt, kann der Agent alternativ eine Folgeberatung oder die Zusendung von Infomaterial anbieten. Omnichannel-fähige CRM-Systeme erlauben außerdem eine kanalübergreifende Kundenansprache und ein übergeordnetes Customer Journey Management: So können Kunden, die beispielsweise einen Online-Tarif-Rechner nutzen und ihren Antrag abbrechen, proaktiv angesprochen und weiter beraten werden.
Auch für Outbound-Kampagnen sind die Agents auf Basis moderner CRM-Systeme genau über Kundenstatus und Kontakthistorie informiert. So kann er oder sie aktiv auf dem vom Kunden präferierten Kanal proaktiv auf ihn zugehen und ihn mit personalisierten Angeboten überzeugen. Hat sich ein Kunde beispielsweise einmal nach den Öffnungszeiten in einer bestimmten Filiale erkundigt, sollte dieser Kunde über spezielle Events in genau dieser Filiale informiert werden.
Oder besucht ein Kunde eine Landingpage zu Zahnzusatzversicherungen, könnte sich die Versicherung bei ihm melden und ihm interessante Versicherungsangebote vorstellen. Daneben könnten Unternehmen Contact Center natürlich auch für Umfragen nutzen: Beliebt sind beispielsweise Net Promotor Score-Umfragen (NPS), deren Ergebnisse die Positionierung des Unternehmens sowie Marketing und Kundenservice mit validen Daten unterstützen.
Die Zeiten, in denen Contact Center hauptsächlich für das Outsourcing von Standard-Aufgaben eine Rolle spielten, sind definitiv vorbei. Ausgestattet mit modernen Technologien, bieten Contact Center heute eine hochpersonalisierte Kundenkommunikation – und rücken wieder näher an das Unternehmen heran
Ausrichtung der Infrastruktur auf den Kunden – und den Agenten
Moderne CRM-Systeme in Kombination mit einer qualitativ hochwertigen Datenbasis und qualifizierten Agents verwandeln Contact Center in eine hoch effiziente Vertriebsplattform. Von diesem Stand sind viele Contact Center jedoch noch meilenweit entfernt. Es ist daher davon auszugehen, dass kleinere Call Center, die Standard-Services bieten, entweder vom Markt verschwinden, mit sinkenden Margen zu kämpfen haben – oder aber in innovative Technologien investieren, um sich für die digitale Zukunft fit zu machen.
Um zukunftsfähig zu bleiben, brauchen Contact Center Omnichannel-fähige CRM-Systeme, die sämtliche relevanten Kontaktkanäle – ob E-Mail, Webformular, Chat, Telefonat oder soziale Medien – automatisch einbinden. Ein nahtloser Datenfluss ermöglicht eine kanalübergreifende Bearbeitung der Kundenanliegen, legt die Grundlage für ein übergeordnetes Customer Journey Management und setzt alle beteiligten Agents auf den gleichen Kenntnisstand. Denn nichts ist für den Kunden ärgerlicher, als beim Kanalwechsel sein Thema in aller Ausführlichkeit erneut vorbringen zu müssen: Erst beim Live Chat – dann noch einmal im Telefonat oder per E-Mail.
Die eingesetzte Software muss demnach den Kunden in den Fokus nehmen, nahtlos mit Vertrieb und Marketing verknüpft sein und eine 360°-Sicht auf alle vertriebsrelevanten Daten und Informationen bieten. Dazu zählen beispielsweise getätigte Käufe oder Reklamationen, Kundenanliegen der Vergangenheit und besondere Interessen des Kunden, aber auch Kundendaten aus Rechnungen und anderen Quellen. Nur wenn das System alle relevanten Touchpoints bedient, kann die gesamte Customer Journey des Kunden wirklich abgebildet und der Kunde mit seinem aktuellen Bedarf so begleitet werden, dass er sich unterstützt und wertgeschätzt fühlt. Online einkaufen, telefonisch nachfragen: Auch so genannte „Channelhopper“ sollten sich beim Contact Center gut aufgehoben fühlen.
Gleichzeitig sollte die Contact Center Software aber auch eine hohe Nutzerfreundlichkeit aufweisen und den Agents eine reibungslose Bearbeitung der Kundenanliegen ermöglichen. Hier helfen Assistenten, die die Agents durch definierte Prozesse leiten und damit garantieren, dass jedes Anliegen in gleicher Qualität behandelt wird.
Optimalerweise bildet das System die bestehende Geschäftslogik des Unternehmens über Abteilungs- und Systemgrenzen hinweg ab, liefert den Agents alle Informationen nicht nur zu Kunden, sondern auch zum Unternehmen, seinen Produkten und Dienstleistungen, und zeigt ihnen Cross- und Up Selling-Möglichkeiten auf. Steuerungsmöglichkeiten, beispielsweise für die Ressourcenplanung, Konfigurationen, sowie für die Verwaltung, Messung und Auswertungen der SLAs, optimieren das Contact Center Management und ermöglichen auf Basis valider Analysen die Anpassung der Prozesse.
Mensch und Maschine „Hand in Hand“
Wie eingangs erwähnt ist die Zahl der Anfragen in Contact Centern seit Jahren gewachsen; gleichzeitig werden die Aufgaben der Agents durch die zunehmende Serviceorientierung bei den Geschäftsmodellen der Unternehmen anspruchsvoller. Neben einem problemlosen Umgang mit modernen Systemen erfordern sie Beratungskompetenz, Fingerspitzengefühl und ein gut entwickeltes „Vertriebsgen“ – und das ganze gerne auch mehrsprachig.
Vor diesem Hintergrund zeichnet sich bei den Contact Centern inzwischen ein Fachkräftemangel ab. Auf Basis künstlicher Intelligenz, beispielsweise über Chatbots, virtuelle Assistenten und technische Self-Services, lassen sich Standardanfragen jedoch inzwischen automatisiert beantworten. Damit haben die Agents den nötigen Freiraum, sich auf die komplizierteren Fälle und eine qualifizierte Beratung zu konzentrieren. Darüber hinaus bietet die künstliche Intelligenz aber auch ganz neue Möglichkeiten für eine personalisierte Kommunikation: Auf Basis intelligenter Algorithmen lassen sich aus großen Datenmengen Muster erkennen und daraus Handlungsempfehlungen für den Kundenkontakt ableiten.
Dass Contact Center heute eine höhere Wertschätzung als Vertriebskanal erhalten bedeutet umgekehrt jedoch nicht, dass Kostenaspekte keine Rolle mehr spielen. Vor diesem Hintergrund setzen zunehmend mehr Anbieter auf skalierbare Cloud-Lösungen, um Contact Center-Services passgenau zum Bedarf nutzen und im Zweifelsfall die Datensicherheits-Frage an den Anbieter auslagern zu können.
Mithilfe innovativer Technologien, allen voran der künstlichen Intelligenz, werden sich Contact Center einen wichtigen Platz im Markt als hocheffiziente Vertriebsplattform erobern
Beispiel: Envivas: Nahtlose Begleitung der Customer Journey
Die Envivas Krankenversicherung, ein 100-prozentiges Tochter-Unternehmen der Generali Deutschland, bietet private Zusatzversicherungen exklusiv für die Mitglieder der Techniker Krankenkasse an und betreut 1,6 Millionen Kunden. Dafür hat Envivas in Leipzig seinen zuvor ausgelagerten First-Level-Kundenservice neu intern abgebildet und in Leipzig ein internes Servicecenter mit 50 Mitarbeitern aufgebaut.
Zum Einsatz für eine optimierte telefonische Betreuung kommt BSI CRM in der Cloud, was einen hohen Grad an Flexibilität, Release-Fähigkeit sowie einen reibungslosen Betrieb sicherstellt. Damit die Agenten nur mit einem System arbeiten müssen, wurde BSI CRM an die relevanten Umsysteme angebunden. Geführte Prozesse unterstützen die Mitarbeiter in der Kundenberatung bis hin zum Abschluss. Die Plattform integriert CRM, Contact Center und Marketing Automation; so kann Envivas Neukunden und potenziell auch bestehende Kunden optimal auf ihrer Customer Journey begleiten: auf dem Kanal ihrer Wahl, zum richtigen Zeitpunkt und mit dem richtigen Angebot.
Beispiel Walbusch: Integration aller Kanäle – bis hin zur Kassensoftware
Das Familienunternehmen Walbusch mit Sitz in Solingen und Niederlassungen in Österreich und der Schweiz bietet Mode für qualitätsbewusste Kunden. Schwerpunkt des Handelshauses ist das Kataloggeschäft; zunehmend setzt Walbusch jedoch auf die Verbindung von Katalog, Onlineshop und Fachgeschäften. Hierfür realisierte Walbusch gemeinsam mit BSI eine CRM-Multikanal-Versandhandelslösung, die alle operativen Bestell- und Serviceprozesse von Walbusch abdeckt.
Als Highlight integrierte Walbusch in der BSI CRM Lösung neben den Versandhandelskanälen wie Telefon, schriftliche Auftragserfassung, E-Mail und Internet auch die Kassensoftware der Walbusch-Filialen. Damit haben alle Mitarbeiter – im Contact Center, am PoS und im Backoffice – die gleiche 360°-Sicht auf den Kunden und einen vollständigen Überblick über dessen komplette Kontakthistorie. Mit einer einfachen Suchfunktion erkennen sie ihre Kunden auch ohne Kundenkarte oder Kundennummer. Die Oberflächen sind im Contact Center und im Shop auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter abgestimmt. Zusatzverkäufe werden unterstützt mit Bildern und Texten zu den dazu passenden Kleidungsstücken. Eine Recommendation Engine schlägt zudem dem Agenten passende Angebote für den Kunden vor.
Autor: Bernhard Egger ist Retail und Kundenservice Community Manager beim Software-Hersteller BSI. Sein Herz schlägt für Kundenerlebnisse, die nachhaltig in Erinnerung bleiben.