Mittler zwischen der sogenannten “alten” und “neuen” Welt

Ein Artikel von Dunja Koelwel | 16.04.2021 - 15:22
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Sebastian Pitzler war seit 2001 für Ergo in unterschiedlichen Positionen an der Schnittstelle zwischen IT und Versicherungsfachbereich in Köln, Düsseldorf sowie Berlin tätig. In den vergangenen Jahren spezialisierte sich Pitzler auf die Themen Strategie, Innovation und Digitalisierung und verantwortete seit 2015 als Leiter des Ergo Digital Labs den Auf- und Ausbau dieses Innovationslabors in der Berliner Startup-Szene. Seit Frühjahr 2018 ist Pitzler nun Geschäftsführer des InsurLab Germany e.V. − der Plattform für die Vernetzung von Versicherungsunternehmen und InsurTech Startups in Deutschland und Teil der de:hub Initiative.

Sie kamen, um die Versicherungsbranche zu revolutionieren. Unter dem Schlagwort “Disruption” sollte alles anders und vor allem besser werden. Die Rede ist von InsurTechs. Doch was ist von dem Pionier-Geist der ersten Tage geblieben? Wie hat sich die Szene verändert? Und welchen Einfluss hat Corona aktuell auf InsurTechs und Startups? Darüber spricht Sebastian Pitzler, Geschäftsführer von InsurLab Germany e.V.

Was will das InsurLab leisten?

Sebastian Pitzler: Der InsurLab Germany e.V. ist eine gemeinsame Initiative aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichen Institutionen zur Stärkung des Versicherungsstandorts Deutschland. Zielsetzung ist die nachhaltige Entwicklung innovativer Lösungen durch die enge Vernetzung von Start-ups und Hochschulen mit etablierten Versicherungen, führenden Dienstleistern und Branchenexperten. Ziel der Initiative ist es, Versicherungsunternehmen einen einfachen, direkten Zugang zu nationalen und internationalen Start-ups zu ermöglichen und sie aktiv bei der Planung und Umsetzung gemeinsamer Projekte zu unterstützen und somit die deutsche Versicherungswirtschaft zu transformieren und zu digitalisieren.

In Form von Veranstaltungen, Workshops, einem Accelerator-Programm, dem InsurLab Germany Campus und individuellem Match-Making vernetzt das InsurLab Germany etablierte Versicherer mit innovativen Gründern und bietet ihnen Raum für die kreative Arbeit an marktfähigen Konzepten und Prototypen. Gegründet wurde die Brancheninitiative 2017 von der Stadt Köln, IHK Köln, Universität zu Köln, TH Köln sowie von etablierten Versicherungsunternehmen und Star-ups und wuchs innerhalb eines Jahres zur größten Brancheninitiative Deutschlands heran.

Welche InsurTechs haben derzeit die größten Erfolgsaussichten? Sind es die, die die gesamte Wertschöpfungskette abbilden wollen, oder die gezielt nur einzelne Teile ersetzen?

Sebastian Pitzler: Eine Vielzahl der Start-ups bilden gezielt einzelne Teile der Wertschöpfungskette smarter und digitaler ab, als es die etablierten Unternehmen tun. Dies bietet Potential für Kooperationen zwischen Start-ups und Versicherern. Was aktuell zusätzlich zu beobachten ist, ist dass es für neue InsurTechs, die eine komplette Wertschöpfungskette abbilden, angesichts der neuen BaFin-Regelungen nun deutlich schwieriger ist, sich im Markt zu platzieren. Aufgrund dieser erhöhten Marktbarrieren, rückt das Thema Partnerschaften zunehmend mehr in den Vordergrund.

Corona beeinflusst auch die Start-up- und InsurTech-Szene. Welche Auswirkungen sind derzeit zu beobachten?

Sebastian Pitzler: Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die InsurTech-Szene kann nicht pauschalisiert werden. Die Pandemie und die daraus entstehenden Konsequenzen können für die InsurTechs sowohl Herausforderungen als auch Chancen darstellen. Wir haben geteiltes Feedback aus der InsurTech-Szene erhalten. Auf der einen Seite gibt es echte Gewinner und auf der anderen Seite leider auch Verlierer. Zum einen gibt es InsurTechs, die durch ihre modernen Technologie-basierten Lösungen eine große Nachfrage hervorrufen, indem sie mitunter kurzfristig Problemstellungen, beispielsweise im Kontext von “Social Distancing” durch digitale Kundenkanäle, lösen können.

Zum anderen gibt es die InsurTechs, die darunter leiden müssen, dass Kunden ihre Ressourcen anders fokussieren oder Projekte zurückstellen, weil sie Krisenmanagement betreiben müssen oder ihnen Investoren abspringen. Es wird deutlich, dass es immer davon abhängt, in welcher Entwicklungsphase sich das jeweilige InsurTech befindet, welche Zielgruppe von dem Produkt/Services des Start-ups adressiert wird und wie weit es in der Produktentwicklung ist. Wir freuen uns über zahlreiche “Success Stories”, die wir gemeinsam mit Start-ups und etablierten Unternehmen in Krisenzeiten entwickeln konnten.

...ein kleiner Tipp für klassische Versicherer

Wird Corona einen Einfluss auf das Verhältnis zwischen InsurTechs und Versicherern haben?

Sebastian Pitzler: Insbesondere in diesen Zeiten, ist Kollaboration zwischen den Start-ups und etablierten Versicherern besonders wichtig. Durch weitere Kollaborationen der Versicherungsbranche mit den InsurTechs können Start-ups weiter gefördert und gefordert werden, denn so entstehen neue Projekte für Produkt- und Service-Innovationen im Markt. Es ergeben sich echte Win-Win-Situation in Krisenzeiten. Wir stellen insgesamt fest, dass Corona einen Katalysator für Digitalisierungsthemen darstellt.

Sie waren lange Jahre in einem Versicherungskonzern beschäftigt. Was reizt Sie an InsurTechs?

Sebastian Pitzler: Bevor ich Geschäftsführer beim InsurLab Germany e.V. geworden bin, war ich 16 Jahre bei der Ergo Group beschäftigt und in unterschiedlichen Positionen als Brückenbauer zwischen Technologie- und Versicherungsfachbereichen aktiv. Ich bin ein echter Tech-Enthusiast, liebe Innovationen und interessiere mich für technische Entwicklungen. Daher liegt es nahe, dass ich die Funktion sozusagen als Brückenbauer im Bereich InsurTech weiter fortsetze. Gemeinsam mit meinem Team, bringen wir innovative Start-ups, etablierte Versicherungsunternehmen, führende Tech-Dienstleister sowie die Wissenschaft zusammen, um gemeinsam Digitalisierung und  Innovation in die Versicherungsbranche  zu tragen. Wir verstehen uns selbst als Mittler zwischen der sogenannten “alten” und “neuen” Welt. Es ist eine Chance, eine moderne Kundenzentrierung sowie neuartige Technologien in der Versicherungsindustrie zu etablieren - dies ist für mich Anreiz genug, den Bereich InsurTech aktiv mitzugestalten.

Was möchten Sie klassischen Versicherern ans Herz legen?

Sebastian Pitzler: Die Versicherungsbranche ist bereits auf einem guten Weg und nähert sich Schritt für Schritt dem Thema Digitalisierung an. Dennoch gibt es noch viel Potenzial, welches es auszuschöpfen gilt. Daher ist mein Appell an die etablierten Versicherer, mutig genug zu sein, um Prozesse neu zu denken und insbesondere offen für Kollaborationen zu sein und diese als echte Chance anzuerkennen. Nur so können sie ihre Erfolgsgeschichte weiter schreiben und neue Marktpotenziale heben - wir unterstützen natürlich gerne dabei!

What´s next? insureNXT!

Das InsurLab Germany veranstaltet gemeinsam mit der Koelnmesse am 21. und 22. April die insureNXT. Was bietet das neue Event?

Sebastian Pitzler: Die insureNXT ist eine neuartige Kongressmesse, die in diesem Jahr komplett auf einer digitalen Plattform  stattfindet. Wir wollen, dass dort eine völlig neue Generation von Produkten, Services und Geschäftsmodellen entsteht. Durch das Vernetzen von traditionellen Versicherern, Start-ups und branchenübergreifenden Partnern werden Möglichkeiten für das Entwickeln neuer Lösungen, neuer Ökosysteme und Geschäftsmodelle geschaffen. Sie sollen auf den veränderten Bedürfnissen der Kunden aufbauen und von neuen Technologien profitieren.

Zusätzlich zu einer virtuellen Expo, einem Career Day und vielfältigen Netzwerkmöglichkeiten bietet die insureNXT digital ein umfassendes Konferenzprogramm in fünf Topic Areas, welche neuartige Lösungen und aktuelle Markttrends präsentieren. Es erwartet Sie ein vielseitiges Kongressprogramm aus etablierten Versicherern, innovative Start-ups sowie führende branchenübergreifende Partner mit mehr als 150 Top-Speaker:Innen – darunter u.a. Prof. Dr. Alexander Braun (Universität St. Gallen), Dr. Patrick Dahmen (HDI), Beate Heinisch (Axa), Donald Lacey (Ping An), Thomas Mengelkoch (Volvo), Jörg Rheinboldt (APX Axel Springer Porsche), Monika Schulze (Zurich), Julian Teicke (wefox), Stephen Voss (Neodigital), Assaf Wand (Hippo) und Frank Thelen (Freigeist).

Welche Rolle werden Ökosysteme in der Versicherungswirtschaft künftig spielen?

Sebastian Pitzler: Die Zukunft der Branche wird sich um den Aufbau starker, digitaler Ökosysteme drehen, die ohne kollaborative Ansätze nicht existieren können. Um dem Kunden der Zukunft komfortable, schnelle, maßgeschneiderte und sichere Lösungen bieten zu können, müssen Versicherer, Technologie-Experten, Start-ups sowie Wissenschaft und Forschung eng zusammenarbeiten und in einem regen, transparenten und wertstiftenden Austausch miteinander stehen. Das Thema Ökosysteme wird auch auf der insureNXT digital am 21./22. April in unserem Programm aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet - freuen Sie sich auf interessante Erkenntnisse und wertstiftende Kollaborationen.

Sehen sie eine wachsende Zahl von Cross-Industrie-Initiativen/Ansätzen?

Sebastian Pitzler: Ja, durchaus sehe ich eine wachsende Zahl der Cross-Industrie-Ansätze. Denn alle Beteiligten haben für sich erkannt, dass sie voneinander profitieren und lernen können und somit durch Cross-Industrie-Ansätze, eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten des Ökosystems entstehen kann. Da dieses Thema immer mehr an Relevanz gewinnt, möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang unseren Panel “Ecosystem: Connecting the Dots” mit Friendsurance, Allianz und APX um 12:30 Uhr auf der Center-Stage der insureNXT digital empfehlen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, das Ökosystem weiter auszubauen. Getreu unserem Motto: What´s next? insureNXT!