Um eine Versicherungs-App interessant und möglichst interaktiv zu halten, ist es wichtig, neben einem ansprechenden Design ein benutzerfreundliches und intuitives Handling zu kreieren. Die App von heute soll individuelle und bedarfsgerechte Produkte vorschlagen und Mehrwerte generieren können. Die Produkte sollen so einfach und verständlich wie möglich erklärt werden. Den Anwendern muss ein „Look & Feel“ aufgezeigt werden, dass sie bereit sind, nicht nur im Schadensfall ihre Versicherungs-App zu öffnen. Dieser Artikel gibt einen Überblick zu den aktuell branchenweiten Trends, die Kundinnen und Kunden zu einer App-Nutzung animieren können und zeigt zudem die damit verbundenen Aufgaben der Versicherungsunternehmen auf.
Autor: Christian Helbig absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann. Nach seinen Diplom- und Masterstudienabschlüssen der Betriebswirtschaftslehre in Marktforschung und Innovation war er in einigen internationalen Beratungs- und Softwarehäusern in unterschiedlichen Funktionen im Versicherungs- und Finanzdienstleistungssektor tätig. Als Teamleiter eines Competence Centers bei adesso verantwortet er ein interdisziplinäres Expertenteam zum Thema Cross-Section im Versicherungsumfeld, welches sich mit Querschnittsthemen sowie der Digitalisierung und Transformation in der Versicherungsbranche befasst.
Trend 1: Internet of Things (IoT)
Viele Versicherer nutzen bereits heute Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung, welche auf Basis des Fahrstils der Versicherten eine individuelle Prämie unter Risikogesichtspunkten kalkulieren und anpassen. Gemäß Thomas Körzdörfer, Leiter Telematik Analytics, HUK-Coburg Datenservice und Dienstleistungen, wurden bis September 2020 bereits 300.000 Telematik-Tarife bei der HUK-Coburg policiert und das quer durch alle Altersgruppen.
Schätzungen zufolge sind bereits 2021 über 25 Mrd. Geräte weltweit über das Internet angeschlossen. Gemäß weiteren Studien könnte die Zahl der Geräte bis 2039 auf 125 Mrd. wachsen. Neben dem Potenzial sind auch die Möglichkeiten, die die „Dinge des Internets“ der Versicherungsbranche bieten, ein wichtiger Erfolgsfaktor für heutige Vertriebsstrategien. Da die „Dinge“ Daten erfassen, speichern und untereinander austauschen, sammeln sie für Versicherer wertvolle Informationen über Ihre Nutzerinnen und Nutzer.
So können Versicherer die Daten nutzen um bereits vor Eintritt eines Unfalls, eines Brandes oder einer chronischen Krankheit präventiv Einfluss zu nehmen, anstatt lediglich den entstandenen Schaden zu begleichen – unter Beachtung aller datenschutzrechtlicher Vorgaben. Zudem könnten bestimmte Schadensereignisse gänzlich vermieden, sowie Kundenbedürfnisse besser erfasst werden, wodurch der Versicherer die Chance hat, seinen Versicherten durch personalisierte Ansprachen passgenaue Empfehlungen auszusprechen.
Die IoT-Infrastruktur ist allerdings komplex und herausfordernd. So stellt sich für viele Versicherer die Frage, wie Sie vernetzte Geräte in bestehende Software, Altdatenbanken und andere in sich gewachsene Systeme integrieren. Eine weitere Hürde ist die strukturelle, syntaktische, semantische und organisatorische Interoperabilität der bestehenden Systeme. Oft agieren Systemlösungen im Versicherungsumfeld noch sehr heterogen. Ein „echtes“ Zusammenspiel verschiedener Systeme, Techniken oder Organisationen findet kaum statt. Des Weiteren bedeuten mehr vernetzte Geräte auch eine höhere Anforderung an die IT-Sicherheit. Gerade dieses Thema ist nicht zu unterschätzen, denn es spielt eine zentrale Rolle bei der Akzeptanz auf Kundenseite und schafft Vertrauen.
Versicherungsgesellschaften, die in Zukunft nicht am Rand stehen wollen, um InsurTechs oder Herstellern dabei zuzusehen, wie diese sich Zugang zu Kunden verschaffen, um diese neuen Produkte und Tarifmodelle zu verkaufen, sollten spätestens jetzt nachdenken, wie sie sich dem Thema IoT und Telematik nähern wollen. Das Fundament für die Entwicklung innovativer Tarife und Verträge bilden IT-Strategie und Prozessanalysen bei den Versicherern. Telematik-Tarife und Abrechnungsmodelle, die auf Nutzungszeit und -verhalten basieren, funktionieren nur dann, wenn die von Sensoren gelieferten Daten verarbeitet werden können.
Hier spielen nicht nur die enormen Datenmengen eine Rolle, sondern im Kern auch die Frage, ob die bereits vorhandenen Systeme diese überhaupt sinnvoll verarbeiten und analysieren können. Notwendig dafür sind passende Rechenkapazitäten. Aber noch viel wichtiger ist die Möglichkeit, Schnittstellen oder passende Ökosysteme zu schaffen. Während sich Kapazitäten kurzfristig am Markt beschaffen lassen, ist die Entwicklung von Schnittstellen in einer über die Jahre gewachsenen IT-Struktur kein leichtes Unterfangen.
Damit einhergehend muss zwangsläufig eine Analyse bestehender Prozesse erfolgen, denn Geschwindigkeit ist im Internet der Dinge ein absolutes Muss. Für Versicherungen heißt es also „Tempo machen“ und vernetzt denken beim Thema IoT.
Trend 2: Augmented Reality (AR) & Virtual Reality (VR)
Die zwei Technologien Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) gewinnen immer mehr an Bedeutung und finden zahlreiche neue Anwendungsgebiete. Auch in der Versicherungsbranche ist dies ein aktuell relevantes Thema, mit dem sich Unternehmen auseinandersetzen sollten.
Egal ob Vertrieb, Schaden- und Leistungsbearbeitung oder Kundenkommunikation: AR sowie VR bieten zahlreiche Vorteile für Versicherer. Sie können die Effektivität und Effizienz des Unternehmens steigern; Mitarbeitende sind nicht ortsgebunden, was in der Corona-Pandemie 2020/21 für viele Unternehmen, die bereits vorher auf moderne Technologien umgestiegen sind, ein Wettbewerbsvorteil war. In Zeiten von Home-Office hatten Unternehmen, die ihre Kunden bereits vorher online oder durch Technologien wie VR und AR betreut haben, einen klaren Vorteil. VR und AR lassen sich sehr gut in bestehende Apps integrieren, was schon existierende Beispiele belegen. Denn einige Versicherer sind Vorreiter in diesem Gebiet und haben AR in ihre Arbeit einbezogen, um zum Beispiel bei der Schadensregulierung zu helfen. Schadensfälle können somit mittels dieser Technologie gemeldet und bearbeitet werden. Dies wird häufig durch eine sogenannte AR-Brille unterstützt.
Versicherer wie die Allianz oder auch die Gebäudeversicherung Graubünden (GVG) zeigen schon heute ihren Versicherten mittels AR, wie bei ihnen Zuhause Versicherungsfälle entstehen können, sei es ein Brand oder ein Wasserschaden. Sie sensibilisieren dadurch für Gefahren im Haus, was Versicherte emotional anspricht. In der Versicherungsbranche ist zurzeit ein stetig wachsender Einsatz dieser Technologien zu beobachten. Ein einfaches Beispiel für AR eine AR-Anwendung ist das Scannen von Vertragsunterlagen. Dieser scheinbar kleine Schritt erleichtert die Kommunikation zwischen Versicherten und Versicherer ungemein. Kunden können sich zum Beispiel via App per Live-View direkt über mögliche Absicherungen ihrer Versicherungsgegenstände informieren. Oder wenn sie einen Schaden an Ihrem Auto haben, könnten sie diesen einfach melden, in dem sie ihn fotografieren und in der App hochladen. Dies alles ist möglich mit AR und VR, optimal genutzt mit der App des Versicherers.
Trend 3: Künstliche Intelligenz und Machine Learning
Bereits bei vielen Versicherungen im Einsatz sind KI-Lösungen für die Verwaltung der Kundenkommunikation. Ob Anfragen und fallabschließende Serviceleistungen via Chatbot oder bei der digitalen Zusendung von Unterlagen können Dokumente durch diese Technik direkt an den richtigen Ansprechpartner weitergeleitet werden. Durch den Effizienzgedanken können die Aufwände deutlich reduziert werden. KI-Anwendungen helfen, den Service zu optimieren und zu automatisieren. Auch in der Schadensabwicklung bieten sich KI-Lösungen an. Ein mögliches Anwendungsbeispiel aus dem Bereich der Kfz-Versicherung soll hier den Vorteil einer KI-basierten App-Lösung aufzeigen. Direkt am Unfallort kann ein einfaches Handyfoto die Schadensabwicklung anstoßen.
Technologien der Bildanalyse und Bildforensik prüfen dabei die Echtheit des Bildmaterials und können so Betrugsversuchen vorbeugen. Auch die Höhe eines einfachen Sachschadens ermittelt die moderne Technik in Echtzeit. Im besten Fall erhält der Versicherte via App-Ortungsdienst direkt einen Weg zur nächstgelegenen Vertragswerkstatt oder bucht gar einen Termin zur Schadenbeseitigung. Alles vollautomatisiert und unabhängig von Ort und Zeit. Ein Teilbereich der Künstlichen Intelligenz ist Machine Learning. Dabei erschließt das System selbständig Zusammenhänge auf Basis von verschiedenen Beispieldaten und optimiert damit zugleich den Prozess und das „Feel“ der Kunden in der Nutzung des Prozesses. Die aktuelle Rechtsgrundlage im Versicherungsbereich bietet bereits ausreichend Schutz für KI, denn diese ist technikneutral. Die größte Herausforderung liegt – simultan mit vielen anderen Trends – in der Sammlung und Verarbeitung der Datenmengen. Um einen Mehrwert zu generieren, müssen zwischen den IT-Systemen ein regelmäßiger Datenaustausch, Datenabgleich und eine Datenverwaltung stattfinden. Die Herausforderung liegt hier bei der Optimierung der Altsysteme und IT-Infrastruktur. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Datenqualität, denn KI-Lösungen beziehen sich auf Lernprozesse. Das heißt, der Output ist nur so gut wie der Input. Hier steht die Versicherungsbranche vor dem größten Nachhol- und Handlungsbedarf. Denn KI schafft nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, Prozessoptimierung und Aufwandsreduzierung, sondern bietet Kunden einen deutlichen Mehrwert, was die Kundenbindung stärkt.
Trend 4: Beacon Technologie
Die Idee hinter Beacon stammt von Apple aus dem Jahr 2013. Das Wort Beacon kommt aus der Seefahrt und bedeutet übersetzt: „Leuchtfeuer“. Die Technologie basiert auf einem Sender-Empfänger-Prinzip. Dazu werden kleine Funksender installiert, die regelmäßig Signale senden. Kommt ein Empfänger – also zum Beispiel ein Smartphone mit einer App, die für den Empfang von Beacon-Signalen konfiguriert ist – in die Nähe des Senders, identifiziert der Empfänger die spezifische Nummer des Senders. Der Sender Selbst sammelt und speichert keine Nutzerdaten.
Trotz einiger „Kinderkrankheiten“ reges Interesse
Autor: Sebastian Pitzler war von 2001 bis 2018 für die ERGO Group in unterschiedlichen Positionen an der Schnittstelle zwischen IT und Versicherungsfachbereich in Köln, Düsseldorf sowie Berlin tätig. In den vergangenen Jahren spezialisierte sich Pitzler auf die Themen Strategie, Innovation und Digitalisierung und verantwortete als Leiter des ERGO Digital Labs den Auf- und Ausbau dieses Innovationslabors in der Berliner Startup-Szene. Seit Frühjahr 2018 ist Pitzler Geschäftsführer des InsurLab Germany e.V. − der Plattform für die Vernetzung von Versicherungsunternehmen und InsurTech Start-Ups in Deutschland.
Noch steckt die Technologie in den Kinderschuhen, aber viele namhafte Unternehmen – neben Apple – nutzen bereits die Bluetooth-Sender. Neben MyMüsli im Retail nutzen unter anderem Easyjet und Lufthansa die Funksender, sowie als Pionier im Bankensektor die Berliner Bank. Die streichholzschachtelgroßen Funksender ermöglichen eine standortbezogene Kommunikation mit Kunden auf ihren mobilen Endgeräten in einem Umkreis von ungefähr zehn Metern. Durch den geschickten Einsatz können damit Versicherer ihre Werbung intuitiver und emotionaler gestalten. Ziel ist es, Kundinnen und Kunden durch relevante Werbung (Location-based Service) dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden. Damit der Kunde die Push-Nachricht erhält, müssen auf dem Smartphone die Bluetooth-Funktion eingeschaltet und eine entsprechende App installiert sein. Diese App kann durch die Identifikationsnummer des Beacons den Sender einer Kampagne zuordnen und sie auf dem Endgerät des Versicherten anzeigen. Neben eigener App-Lösungen besteht auch die Möglichkeit, auf Apps mit einer deutlich größeren Reichweite zurückzugreifen. So kooperiert beispielsweise die Berliner Bank mit dem Verbraucherportal Barcoo, deren App auf rund 15 Mio. Smartphones installiert ist.
Durch unabhängige App-Anbieter kann ein Versicherungsunternehmen auch mit Nicht-Kunden kommunizieren und sie für ihr Produktportfolio begeistern. Wichtig ist hier jedoch, diese mit nützlichen Hinweisen akquiriert werden und nicht ausschließlich Produktinformationen erhalten. Dies gelingt zum Beispiel durch den Hinweis auf Veranstaltungen, Rabattaktionen und Gewinnspiele. Die Push-Nachricht auf dem Smartphone soll von potenziellen Versicherten als möglichst interessant wahrgenommen werden und nicht etwa als störend oder lästig. Dazu gehört auch, dass die Empfänger den Hinweis jeweils nur einmal pro Aktion erhalten.
Die Technologie ist an sich – wie oben beschrieben – sehr trivial und kostengünstig. Ein relevanter Faktor für die gebremste Durchsetzung ist das fehlende Zusammenspiel verschiedener Plattformen im Hintergrund. Oft gibt es keine direkte Schnittstelle zwischen dem CRM-System und allen Datenbanken. Entscheidend sind hier auch gute Analytics-Tools, am besten mit Echtzeitauswertung, welche die generierten Datenmengen auswerten und an das CRM-System übertragen.
Ein anderer wichtiger Faktor ist die App auf den Smartphones der Kunden zum Empfang der Signale der Funksender. Durch die oft geringe aktive und nicht regelmäßige Nutzung der Versicherungs-Apps wird von einigen Versicherungsunternehmen kein konkreter Handlungsbedarf gesehen.
Ein weiterer Punkt sind die oft fehlenden nutzenstiftenden Anwendungsszenarien. Oft wird die Technologie nur in Verbindung zum Marketing gesehen. Jedoch kann die Beacon-Technologie präventiv vor Schadensereignissen schützen. Sie könnten beispielsweise auf einer Großveranstaltung, wie einem Musikkonzert oder einer Sportveranstaltung, zum Einsatz kommen. Durch die Funksender besteht die Möglichkeit im Katastrophenfall die Veranstaltung ruhiger und schneller zu evakuieren, was Personenschäden deutlich minimiert und somit das Versicherungsrisiko verbessert. Ein weiteres Beispiel wäre die Heimautomation. Mit Hilfe des Smartphones kann ermittelt werden, wie weit ein Funksender entfernt ist und so können beispielsweise diverse Endgeräte im Haushalt gesteuert werden. Ob Licht, Heizung, Fernseher oder auch das Bügeleisen – sie können abgeschaltet und somit das Risiko eines Schadens minimiert werden. Ein Trend, der mit zunehmender Akzeptanz von Smart-Home-Lösungen weiter beobachtet werden sollte. Aber auch im Alltag lässt sich die Beacon-Technologie wertschöpfend für Versicherer einsetzen. Zum Beispiel unterwegs mit der Bahn werden Reisende über die Absicherung ihres Gepäckes bei Verlust oder Diebstahl informiert. Oder beim Autokauf erhalten Käufer eine Information zur Kfz-Versicherung und zugleich den Direktlink zur Online-eVB des Versicherers.
Trend 5: Financial Home
Mehr als ein Drittel der Versicherten haben ein Interesse an einer Plattformlösung, die es Ihnen ermöglicht alle ihre Finanzen und Versicherungen zentral zu managen. Und hier können traditionelle Versicherer ihren größten Trumpf ausspielen – die Vertrauensbasis zu ihren Kunden. Sogenannte „Financial Homes“ bieten den Versicherungen ein enormes Potenzial durch den Zugang zu Bankkonten der Kunden und den damit verbundenen Analyse-Möglichkeiten. Auf diese Weise können die Plattformen aktive Impulse zur Vertragsoptimierung sowie konkrete Handlungsempfehlungen geben.
Kreditinstitute und Finanzdienstleiter haben diesen Trend früh erkannt und bieten bereits Allfinanzplattformen an. Viele Banken ermöglichen ihren Kunden den Zugang über das Onlinebanking-Portal und erweiterten ihr Angebot um einen digitalen Versicherungsmanager oder ein Vertragsverwaltungs-Tool. Zum Teil war das mit einem Wechsel vom traditionellen Exklusivitätsmodell in ein Maklermodell verbunden. Doch die Bereitstellung eines solchen digitalen Versicherungsmanagers kann auch in einer exklusiven Versicherungspartnerschaft funktionieren.
Die größte Herausforderung für die Versicherungsbranche ist neben der IT-Infrastruktur und der Implementierung von Analyse-Tools die Akzeptanz der Kunden. Als bevorzugten Anbieter sehen mit 62 Prozent der Befragten ihre Hausbank. Nur ungefähr 14 Prozent würden ihre Versicherung als Allfinanzanbieter nutzen. Um in dem heiß umkämpften Markt der Daten zu bestehen, müssen Versicherungen zusätzliche Investitionen in Marketing oder in synergetische Kooperationen stecken.
Financial Home: Der Wunsch der digitalen Nomaden
Financial-Home-Ansätze sind vielseitig und mit ihnen das Gestaltungspotenzial. Das Verständnis, was Financial Home bedeutet, wie die Zukunft für Financial Home aussieht und welche Handlungen zum Erfolg führen, haben Versicherer bisher oftmals noch nicht. Ihnen fehlt eine klare strategische Stoßrichtung. Es bleibt folglich mit Spannung zu beobachten, wo sich die Versicherungsbranche als Ganzes, aber auch jeder einzelne Versicherer einordnet und seine Rolle in diesem entstehenden und sich wandelnden Markt finden wird.
Trend 6: Process Mining
Process Mining ist eine Technik des Prozessmanagements, die es ermöglicht, komplexe Geschäftsprozesse auf Basis digitaler Spuren im IT-System zu rekonstruieren und auszuwerten.
Process Mining kann als Bindeglied zwischen Data-Mining und Business Process Management verstanden werden. Die Technik hat das Ziel, Prozesse zu optimieren, die Produktivität zu steigern, die Ausführungskapazität zu maximieren und die Mitarbeitenden sowie die Kundenzufriedenheit zu fördern. Unternehmensprozesse sind oft sehr komplex und durchlaufen eine Vielzahl von verschiedenen IT-Systeme und Abteilungen. Dadurch entsteht Intransparenz, da selten eine einzige Person oder ein Team sämtliche Prozessschritte überwachen kann. Es gibt also unendlich viele Möglichkeiten für Prozessabweichungen, Schwachstellen, Mehraufwände und Ressourcenverschwendung, die oft unentdeckt bleiben. Durch die Visualisierung der kompletten End-to-End-Prozesse, zum Beispiel im Kundenzyklus mit all ihren Abweichungen und Zwischenschritten, schafft Process Mining Transparenz. Lücken oder mangelnde Schnittstellen lassen sich so sehr einfach identifizieren und beseitigen. Durch ein Execution Management System (EMS), kann beispielsweise per App ein individuelles Dashboard die Daten in Echtzeit aus den Quellsystemen extrahieren und die Performance messen. Gleichzeitig werden Execution Gaps identifiziert und visuell dargestellt.
Basierend auf Machine-Learning-Algorithmen und Best Practices werden diese Lücken geschlossen oder über die App eine Hilfestellung zur Beseitigung und zur Maximierung der Ausführungskapazität gegeben. Somit können Versicherungen sicherstellen, dass ihre Optimierungsmaßnahmen, zum Beispiel in den Vertriebs- oder Schadensprozessen, in die richtige Richtung gehen. Außerdem warnen Signale in der App rechtzeitig, sobald eine Ineffizienz in den Prozessschritten erkannt wird. Zugleich können Abläufe auf ihre Kundenorientierung verfolgt werden. Damit stellt Process Mining nicht nur einen Trend dar, sondern ist für eine zukunftsfähige und langfristige Geschäftsstrategie in der Versicherungsbranche unabdingbar.
Trend 7: Nachhaltigkeits-App
Nachhaltigkeit ist kein direkter technologischer Trend, dennoch ist das Thema präsenter als je zuvor. Viele Versicherer legen mittlerweile Wert auf ein „grünes“ Image und optimieren und ergänzen ihr Produkt- und Leistungsportfolio sowie ihr Handeln als Unternehmen. Auch in der Schadensregulierung befürworten viele Versicherte mehr Nachhaltigkeit. Allein durch die Digitalisierung vermeiden verschiedener Prozesse zur Schadensmeldung und -abwicklung direkt per App unnötige Bürokratie und reduzieren den Postprozess auf ein Minimum. Auch digitale Kommunikationswege in der Versicherungs-App via Text- und Videochat unterstützen die Entwicklung zum „grünen“ Versicherer. Dies ist jedoch nur ein kleiner Teil des Nachhaltigkeitsaspektes. Einige Versicherer setzen bereits bei der Schadensregulierung auf geförderte Mehrleistungen durch den Austausch der betroffenen Geräte durch energiesparende oder ökologische Alternativen. Auch Reparaturarbeiten mit biologischen Komponenten oder sogar nachhaltige Schadenssanierung könnten bevorschusst werden.
Einige Versicherungen bieten ihren Kunden versicherungsunabhängige Unterstützung zum Thema Nachhaltigkeit via App an. Sie erhalten einen digitalen Coach, der ihnen bei dem Thema hilft und das Umweltbewusstsein fördert. Beispielsweise erhalten sie täglich einen Tipp, ihren Alltag nachhaltiger zu gestalten, erfahren über die Ortungsfunktion ihres Mobiltelefons, wo der nächste Bioladen, Green-Café, Hofladen oder Wochenmarkt ist – inklusive Kundenbewertungen.
Ein anderes Beispiel ist das Scannen der Barcodes von Produkten im Supermarkt mit der Smartphone-Kamera, sodass die Kunden Hintergrundinformationen zur Herkunft und Verarbeitung des Produkts erhalten. Zudem können sie in einer Online-Bibliothek auf saisonale und/oder vegetarische sowie vegane Rezepte zurückgreifen. Denkbar ist auch, täglich zu Angeboten von überschüssigen Lebensmitteln regionaler Betriebe im Umkreis zu informieren, die dann rabattiert erworben werden können und damit die Lebensmittelverschwendung reduzieren.
Nachhaltigkeit in der App – ein Trend für Versicherer
All diese Möglichkeiten unterstützen zugleich die Gesundheitsförderung der Kunden, minimieren präventiv ihr Krankheitsrisiko (Healthy-Lifestyle) und reduzieren das Schadens- und Regulierungsrisiko. Doch warum sollten Versicherte eine Nachhaltigkeits-App installieren und nutzen? Einige Versicherer bieten über die oben genannten Features auch die Möglichkeit Prämienpunkte zu sammeln und diese gegen Mehrleistungen einzutauschen oder Rabattieren die Prämienzahlung. Dieser Trend steht nicht direkt im Kontext eines technologischen Fortschritts, sondern hat in erster Linie starken Einfluss auf die Außenwahrnehmung und das Image des Versicherers. Daher sollte dieser Aspekt in der Integration von App-basierten Lösungen immer mitbedacht werden beziehungsweise ein wesentlicher Faktor in der Softwareentwicklung sein.
Trends schaffen ein neues Kundenerlebnis
Die sieben genannten Trends im Rahmen der mobilen Lösungen zeigen eine klare Tendenz. Ein wegweisender Faktor für eine zukunftsfähige Vertriebs- und Kommunikationsstrategie ist die Investition in Technologien, die das Kundenerlebnis revolutioniert und somit einen wesentlichen Beitrag zur Kundenzufriedenheit liefern. Bei einer digitalen Customer-Journey durch mobile Apps geht es um zielgenaue Informationen, mehr Transparenz, höhere Flexibilität und einfacherer Interaktion entlang der gesamten Customer-Journey, denn nur so wird es den Versicherern möglich sein, die aktuell immer noch dominierenden klassischen Vertriebs- und Kommunikationskanäle erfolgreich abzulösen oder sinnvoll zu ergänzen. “Genau hier setzen wir als InsurLab Germany an und verstehen uns als Brückenbauer zwischen Startups, Technologieunternehmen und etablierten Versicherern mit dem Ziel, gemeinsam die deutsche Versicherungswirtschaft durch Digitalisierung zu transformieren und Geschäftsmodelle neu und weiterzuentwickeln.”, so Sebastian Pitzler, Geschäftsführer InsurLab Germany e.V. Als größte InsurTech-Initiative in Deutschland macht das InsurLab Germany gemeinsam mit seinen 87 Mitgliedsunternehmen Kollaboration zum Standard. Startups und Scale-ups erhalten einen exklusiven Zugang zu Top Entscheidern der Versicherungsbranche und zusätzlich wird das InsurLab Germany durch führende Technologie- und Dienstleistungsunternehmen sowie Hochschulen bei der Digitalisierungsmission unterstützt.
Adesso ist im Jahr 2020 Teil des InsurLab Germany Mitgliederkreises geworden und fördert die Innovationsfähigkeit der Mitglieder mit bedarfsorientierten Produkten und Services und bringt sich außerdem mit seiner Expertise in das jährlich stattfindende Accelerator Programm ein. Mit Hilfe eines solchen Mitgliederengagements werden gemeinsam innovative Produkte und Services sowie neue Geschäftsmodelle für die Versicherungswirtschaft entwickelt und gleichzeitig den Startups/Scale-ups ein einfacher Markteintritt sowie schnelles Wachstum ermöglicht.
Zusatzinfo:
Im Laufe dieses Tages finden Sie auf unserer Homepage einige Beispiele solcher Apps.